Nahrungsentzug – Fasten ist uns Menschen angeboren
Der Homo sapiens hat die 7 Millionen Jahre währende Evolution der Hominiden überlebt und bewohnt den Planeten Erde seit ca. 200.000 – 250.000 Jahren. Die ältesten Fundstätten des modernen Menschen befinden sich in Afrika und sind ca. 100.000 Jahre alt (1). Unsere Vorfahren haben nicht nur Klimawandel, Dürren und Eiszeiten überstanden, sondern waren bestimmt auch langen Hungersnöten ausgesetzt. Also ist Fasten, gemeint ist die Energiebereitstellung aus körpereigenen Kaloriendepots, z.B. nach Katastrophen, Ernteausfällen oder in kriegerischen Zeiten ein ganz natürlicher und physiologischer Prozess, dem wir unser Überleben über Generationen und im Wandel der Zeiten verdanken.
Vor allem aber ist der Mensch ein soziales und kreativ-intelligentes Wesen, befähigt zur Sprache, zu denken, zu teilen, zu lieben, zu verzichten („Menschen für Menschen“, „Licht ins Dunkel“, „Ärzte ohne Grenzen“) und Netzwerke zu bilden. Diese Eigenschaften haben Hochkulturen, wunderbare Kunst- und Bauwerke, die Musik geschaffen und Völker kulturell miteinander verbunden. Fasten ist vor allem auch ein spirituelles Erlebnis und immer eine Annäherung an das Selbst.
Der Begriff Fasten entstammt dem Althochdeutschen „fasten“ und steht für „an den Geboten der Enthaltsamkeit festhalten“. Appetitlosigkeit und Nahrungsverzicht sind häufige Symptome, wenn wir erkranken. Bekannt ist, dass durch den Fastenmodus das Immunsystem und unsere Zellfunktionen profitieren und Entgiftungs- und Heilungsprozesse in Gang gesetzt werden.
„Sei mäßig in allem, atme reine Luft, treibe täglich Hautpflege und Körperübung und heile ein kleines Weh eher durch Fasten als durch Arznei“ (Hippokrates von Kos).
Bei vielen Völkern wird das Fasten angewandt, um ekstatische Zustände, Träume und Visionen hervorzurufen. So sagen die Zulus: Der fortwährende gefüllte Magen kann keine geheimen Dinge sehen (2).
Alle Religionen haben ihre Fastengeschichte
Jesus fastete 40 Tage und 40 Nächte, Mohammed und Zarathustra fasteten in der Einsamkeit und auch Gautama Buddha fastete, um Erleuchtung zu erlangen. Die Juden fasten am Jom Kippur (den für alle verpflichtenden Versöhnungstag); Hindus fasten nach dem Tod ihrer Angehörigen, Moslems fasten tagsüber einen ganzen Monat (vom 28. Juni bis 28. Juli, der 9. Monat des islamischen Mondkalenders) im Ramadan, Christen sollten jeden Freitag, vor großen Kirchenfesten und 40 Tage vor dem Osterfest fasten. (3) In den 40 Tagen, als Jesus in der Wüste (schutzlos) fastete, ergreift Satan (das Böse) die Gelegenheit, um ihn in Versuchung zu führen. Jesus widersteht der ersten Versuchung, seine privilegierte Position zu missbrauchen, um seine persönlichen Bedürfnisse (Essen, Trinken, es sich gut gehen lassen) in der Wüste zu befriedigen. Jesus widersteht auch der zweiten Versuchung nach Geltung und Ansehen, so wie auch der dritten nach Besitz (Geld) und Herrschaft (Macht) auf der Welt. Von da an schickt Gott seine Engel und der Berg der Versuchung wird auf wunderbare Weise zu einem Ort des Paradieses.
Fasten in religiösen Gemeinschaften ist ein unentbehrliches Ritual für „Leib und Leben“, um zur inneren Ruhe zu finden und einen seelischen Reinigungsprozess herbeizuführen: „Fasten als symbolischer Tod oder dem Zustand vor der Geburt“. Der Geist soll sich durch den Verzicht auf Nahrung über das Körperliche erheben und die Wahrnehmung, die Konzentrationsfähigkeit, die Willensstärke und die Verbundenheit mit dem Göttlichen gestärkt werden. Menschen fasten aber auch, um Buße zu tun (Enthaltungsfasten) oder zur Erinnerung an Verstorbene (Trauerfasten), oder um offen für Antworten und empfänglich für Offenbarungen und Visionen zu sein (prophetisches Fasten). (4)
Fasten in den Kulturen
Askese abgeleitet vom griechischen Wort, „askein“ meint „üben“, das Bewahren von Selbstkontrolle einerseits und die Festigung des Charakters andererseits.
Die ältesten religiös-philosophischen Systeme, in denen Askese ein fundamentales Gestaltungselement ist, treten 3000 bis 2000 Jahre v. Chr. in Indien im Hinduismus und Jainismus auf, sowie später im Buddhismus ( Siddhartha Gautama ca. 500 v. Chr.). Gelebt wurde und wird Askese gemäßigt oder radikal in Form von Nahrungsaskese, Zölibat, Schlafentzug, freiwillige Armut, Gehorsamkeit, Schweigegebot, Einsiedelei, Lauf- und Wanderaskese, Bettelmönche, der Verzicht auf Körperpflege, bescheidene Kleidung und sogar Selbstverletzung (Fakire). In Erwartung auf Belohnung im Jenseits wird irdischer Verzicht geübt.(5)
In der antiken Philosophie übten die Stoiker einen asketisch, geistig disziplinierten Lebensstil. Es galt tugendhaft und selbstbeherrscht zu sein. Ein berühmter Stoiker war Sokrates. Seine Gedanken und Ideen überdauerten in den Schriften seines Schülers Platon. Eine berührende Geschichte beschreibt die drei Siebe der Wahrheit, die ich gerne in verkürzter Form und mit eigenen Worten an dieser Stelle wiedergeben möchte. Jemand kommt zu Sokrates gelaufen, um ihm seine Geschichte vorzutragen. Sokrates jedoch unterbricht den Redeschwall des Fremden: „Lass sehen, ob das was du mir sagen willst durch die drei Siebe hindurchgeht. Das erste Sieb ist die Wahrheit. Hast du alles, was du mir erzählen willst, geprüft ob es wahr ist ? Der Fremde entgegnet betroffen: Nein, ich hörte es jemanden erzählen. Aber sicher hast du es mit dem Sieb der Güte geprüft, Nein ? So lass uns auch das dritte Sieb der Notwendigkeit anwenden. Der Fremde entgegnet verzagt: notwendig ist es gerade nicht. Da lächelt Sokrates und erwidert, wenn deine Geschichte weder wahr, noch gut, noch notwendig ist, so lass sie uns begraben und belaste dich und mich nicht damit.“(6)
Die Kyniker wiederum setzten auf körperliche Abhärtung und mieden jedwede Bequemlichkeiten, indem sie ein Wanderleben (Heimatlosigkeit) in Armut (Reduktion auf das Notwendigste) führten und als Außenseiter der Gesellschaft galten. Über Diogenes wird berichtet, das er in einem Fass lebte.(5) Die Essener, tief religiöse Juden, führten ein Leben in Gütergemeinschaft und Askese im Westjordanland am Toten Meer. Von ihnen stammen die in den 1950´ern in Felshöhlen entdeckten Schriftrollen, als Qumranschriften des antiken Judentums bekannt. Ihre Entstehung wird zwischen 250 vor Chr. bis 50 nach Chr. datiert. Somit gehören sie zu den ältesten Bibelhandtexten.(8) Die Essener übten strenge Enthaltsamkeit, lehnten die Sexualität ab und adoptierten stattdessen Kinder.
Im Sufismus (Islam) steht die Askese für den Verzicht auf alles Weltliche, die erwartete Zukunft ist einzig auf Gott im Jenseits ausgerichtet. Zu den großen Festen der Muslime gehört am drittletzten Tag des Ramadans, die Leilat al qadr, die Heilige Nacht der Muslime, als Gott seine Offenbarung durch den Erzengel Gabriel auf den Propheten Mohammed niedersandte. Es ist die „Nacht der Bestimmung“; um diese Nacht rankt sich in Legenden der Glaube, dass die Verstorbenen auferstehen und zu ihren Familien zurückkehren, um mit ihnen zu feiern. Die Ahnen appellieren, in Liebe und Frieden in den Familien und auf der Welt zu leben. Der Ramadan gehört im Islam zu einer der „fünf Säulen“ des Glaubens. (13) „Beten führt auf halbem Wege zu Gott, Fasten bringt uns an die Tür des Himmels.“ (Mohammed)
In einer Reihe von islamischen Staaten herrscht Fastenpflicht. Ein Zuwiderhandeln (Essen, Trinken und Rauchen in der Öffentlichkeit) wird mit Geldbusen und sogar Freiheitsentzug bestraft. Schwangere, Kranke und Kinder müssen allerdings das Fastengebot im Ramadan nicht einhalten.(7) Ich persönlich kenne einen Nierenpatienten, der traurig darüber, dass er im Ramadan nicht fasten kann, das Geld, das er in diesem Monat verdient an Arme spendet. In vielen Kulturen (altes Ägypten, Mexiko, Persien,..) war Fasten vor religiösen Festlichkeiten Tradition. Fasten ist kulturell in allen Kulturen verankert.(19)
Fasten im Christentum
Die frühe Kirche übernimmt die Fastentradition und die damit verbundenen Werte des Judentums und der griechisch-römischen Welt und wählt in Erinnerung an die Gefangennahme und Kreuzigung Jesus den Mittwoch und den Freitag als Wochenfasttage. Als Vorbereitung auf das Osterfest wird ab 300 n. Christus, ab Aschermittwoch 40 Tage vor Ostern gefastet. In manchen Klöstern aß man nur jeden 2.Tag oder beschränkte sich in der Speisenauswahl. Als Fastenspeisen galten Brot, Salz und Wasser, angereichert durch Hülsenfrüchte, Kräuter, rohes Gemüse, getrocknete Beeren, Datteln und Feigen. Fasten war in urchristlichen Gemeinschaften keine Privatsache, sondern eine Form des gemeinsamen „Betens und Wachens“.(9)
Einer der frühen Mönche, Athanasius schreibt, „Siehe da, was das Fasten wirkt! Es heilt die Krankheiten, trocknet die überschüssigen Säfte im Körper aus, vertreibt die bösen Geister, verscheucht verkehrte Gedanken, gibt dem Geist größere Klarheit, macht das Herz rein, heiligt den Leib und führt schließlich den Menschen vor den Thron Gottes…Eine große Kraft ist das Fasten und verschafft große Erfolge“. (10)
Basilius der Große (330 –379 n.Chr.), auch genannt Basilius von Caesarea, eine Stadt mit 400.000 Einwohnern in Kappadokien (Zentralanatolien, Türkei) gilt als Asket, Bischof und Kirchenlehrer. Seine Mönchsregeln wirken (Asketikon) bis in das Heute der orthodoxen Kirche und beeinflussten auch Benedikt von Nursia (Benediktinerregeln). Früh nach seinem Tod wurde er als Heiliger verehrt und gilt als Schutzpatron der Armen und Kranken, sowie als Kämpfer für Frieden und Einheit der Kirche. (11) Basilius verweist in einer seiner Predigten auf die friedensstiftende Wirkung des Fastens in der Welt: „ Wenn aber alle Völker den Rat des Fastens annähmen, um ihre Fragen zu regeln, würde nichts mehr verhindern, dass tiefer Friede in der Welt herrsche; die Völker würden nicht mehr gegeneinander aufstehen, und auch die Heere würden einander nicht in Stücke hauen. Es würden an abgelegenen Straßen keine Wegelagerer auf der Lauer liegen, in den Städten gäbe es keine Denunziation mehr und auf der See keine Seeräuber. Unser ganzes Leben wäre nicht in so hohem Grade von Stöhnen und Seufzen erfüllt, wenn das Fasten es regelte. Das Fasten würde alle lehren, die Liebe zum Geld, zu überflüssigen Dingen und, im allgemeinen, die Neigung zu Feindseligkeiten aufzugeben“. (12)
Fasten im Mittelalter
Das europäische Mittelalter ist jene Epoche zwischen dem Ende der Völkerwanderung (Ende des 5. Jahrhunderts bis zu Mitte des 15. Jahrhunderts) und dem Beginn der Renaissance. Viele Menschen haben eine düstere Vorstellung von dieser Zeit. Nicht zuletzt vermitteln Drehbücher zu Filmen über das Mittelalter (Aberglauben, Hexenverfolgung, Inquisition, Hexenverbrennung, Kreuzrittertum, die Auseinandersetzungen zwischen Päpsten und Königen, Hungersnöte und Pestilenz) ein düsteres Abbild. Jedoch gab es auch lange Perioden ohne Kriege und günstige klimatische Bedingungen, die die Bevölkerung wachsen ließen. In dieser Zeit wurden Universitäten gegründet und reger Handel betrieben. Wir kennen bedeutende Gelehrte des Mittelalters, wie Thomas von Aquin, Meister Eckhart und die Heilige Hildegard von Bingen, die Fasten als einen Prozess der körperlichen und geistigen Reinigung ansah und als Universalgelehrte die Musik und die Medizin bis in unsere Zeit beeinflusst. Sie selbst nannte sich „Posaune Gottes“, war Äbtissin des Benediktiner Klosters Rupertsberg bei Bingen und wurde auch „Seherin vom Rhein“ oder „Deutsche Prophetin“ genannt. Sie unternahm weite Reisen als Klostervisitatorin (zu Fuß, mit Ochsenkarren oder mit dem Schiff) und führte als anerkannte Beraterin Korrespondenz mit Päpsten, Kaisern und Königen.
Fasen nach Hildegard von Bingen (1098 -1179)
„Fasten im Schweigen“ war für die Hl. Hildegard ein Universalheilmittel. Sie lehrt „den Menschen immer als Ganzes zu sehen“. Sie beschreibt, dass „alles auf der Welt Schwingung sei“ und dass es wichtig dabei wäre „auf die Stimme der eigenen Seele zu hören“. Die Hildegard Heilkunde steht neben der psychischen Betreuung auf drei Säulen:
- Die Umstellung der Ernährung (speziell Dinkel) mit dem Leitmotiv „Discretio“ (maßvoll)
- Generalreinigung des Körpers ( Ausleitungsverfahren, „der hildegardsche Aderlass“, das trockene und blutige Schröpfen, das Fasten)
- Die Hildegard Heilmittel (31)
Bis zu 150 Fastentage schrieb die Kirche im Mittelalter den Gläubigen vor. Das Fleisch warmblütiger Tiere, Milch, Butter und Eier waren verboten. Mandelmilch galt damals schon als Milchersatz und auch Feigen und Datteln versüßten die Fastentage. Die „ Not macht erfinderisch“ und so braute man in den Klöstern Fastenbiere, kreierte Trinkschokolade in Form von Suppe, denn „das Flüssige bricht das Fasten nicht“. Zudem ließen sich aus Tieren, „die aus dem Wasser stammten, oder gezogen wurden“, wie Fische (Karpfen, Lachs), Austern, Muscheln und Flusskrebse gute Speisen zubereiten. Gemüse und Kräuter, Pilzgerichte und Süßspeisen bereicherten zusätzlich den Fastentisch. Unser heute beliebtes Vollkornbrot galt lange als das Brot der Armen („Gesindebrot“). (14)
„Ausnahmen bestätigen die Regel“: So soll Papst Innozenz VIII. im 15. Jahrhundert die Verwendung von Butter gestattet haben. Allerdings wurde im Gegenzug als Buße ein „Buttergeld“ eingefordert, das in den Kirchenbau floss. Der bis heute beliebte Adventstriezel ging auf diese Zeit zurück.
Ein weiterer Klassiker aus dem Schwäbischen ist die Maultasche, auch „Herrgottsb´scheißerle“ genannt. Die Legende berichtet, dass Zisterzienser Mönche im Kloster Maulbronn in der Fastenzeit ein geschenktes Stück Fleisch, um es nicht vergammeln zu lassen, klein hackten, es mit Kräutern vermischten, so dass es an Gemüse erinnerte und es zu Tarnzwecken in Nudelteig verpackten.(15)
Martin Luther und Ulrich Zwinglis, die Reformatoren des 16. Jahrhunderts prangern diese Auswüchse des Fastens an und kritisieren die strengen Fastengebote als reine Äußerlichkeiten. „Der Mensch werde nicht durch Fasten angenehm bei Gott, sondern allein durch die Gnade, allein durch den Glauben“ (Martin Luther). Ulrich Zwinglis Reformation in der Schweiz begann mit einem demonstrativen Wurstessen während der Fastenzeit. (16)
Politisch motiviertes Fasten
Mahatma Gandhi verweigerte in den 1930´er und 1940´er Jahren mehrfach wochenlang die Nahrungsaufnahme, um sein Volk von einem Bürgerkrieg abzuhalten. Fasten wurde als Ausdrucksmittel für den gewaltlosen Widerstand eingesetzt und verhalf Indien zur Freiheit.
Louis Lecoin (1888-1971) trat am 1.Juni 1961 im Kampf für die Legalisierung der Kriegsdienstverweigerung in einen Hungerstreik, der erst am Tag 22 aufgrund des Einlenkens von Premierminister Georges Pompidou beendet wurde. Im Dezember 1963 wurden die Gesetze entsprechend abgeändert und inhaftierte Wehrdienstverweigerer freigelassen.
RAF-Mitglieder (linksextreme Terrororganisation, Rote Armee Fraktion) setzten zwischen 1972 bis 1994 mehrfach den Hungerstreik als politisches Druckmittel zur Verbesserung ihrer Haftbedingungen ein (kollektiver Hungerstreik), an deren Folgen 2 Mitglieder starben. Auch gegen Werks- und Grubenschließungen in den 1960´er Jahren wurde kollektiv gestreikt, wenngleich erfolglos. (17)
Als Anti-Apartheits-Aktivist wurde Nelson Mandela, Sträfling-46664 1964 auf Robben Island zu lebenslanger Haft und Zwangsarbeit unter menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert. Durch jahrelange Proteste und Hungerstreiks konnten die Haftbedingungen gebessert und 1971 die Arbeiten in den Steinbrüchen abgeschafft werden. (18) Eines seiner wohl berühmtesten Zitate lautet: „Unsere größte Angst ist nicht unzulänglich zu sein, unsere größte Angst ist, grenzenlos mächtig zu sein. Unser Licht, nicht unsere Dunkelheit ängstigt uns am meisten. Wir fragen uns: Wer bin ich denn, dass ich so brilliant sein soll ? Aber wer bist du, es nicht zu sein ? Du bist ein Kind Gottes. Es dient der Welt nicht, wenn Du dich klein machst. Sich klein zu machen, nur damit sich andere um dich herum nicht unsicher fühlen, hat nichts Erleuchtetes. Wir wurden geboren, um die Herrlichkeit Gottes, der in uns ist zu manifestieren. Er ist nicht nur in einigen von uns, er ist in jedem Einzelnen. Und wenn wir unser Licht scheinen lassen, geben wir damit unbewusst anderen die Erlaubnis, es auch zu tun. Wenn wir von unserer Angst befreit sind, befreit unsere Gegenwart automatisch die anderen.“
Die Psychologie des Fastens
Unser Darm besitzt die größte Ansammlung von Nervenzellen (> 100 Millionen) und ist in der Lage, psychoaktive Substanzen selbst herzustellen (Serotonin, Dopamin, Benzodiazepine). Unser zweites Gehirn weist exakt gleiche Zelltypen, Wirkstoffe und Rezeptoren wie unser Großgehirn auf und ist mit diesem eng verschalten. Es reguliert unsere Gefühlswelt (Liebe-Schmetterlinge im Bauch, Ärger und Kummer-der auf den Magen schlägt, Reizdarm) und beeinflusst unser Tun und Handeln (aus dem Bauch heraus entscheiden). Viele Prozessentscheidungen reguliert unser Bauchgehirn autonom, wie die Peristaltik, die Reaktion auf Füllung, der Umgang mit Bakterien und Viren. (20) Wer Lust hat, mehr über unseren Partner, Darm zu erfahren, möge das Bestsellerbuch von Giulia Enders, „Darm mit Charme“ lesen; als Hörbuch-Fassung habe ich die angenehme Stimme und den Humor dieser Autorin sehr genossen und ich hoffe, dass jene, die mich beim Walken spontan lachen gehört haben, nicht allzu irritiert waren. Bei Alzheimer und Parkinsonpatienten sind analoge Schäden im Kopf- wie im Bauchgehirn zu finden und psychiatrische Medikamente wirken im Gehirn und im Darm.
Im Fastenmodus wird nicht nur Tryptophan in gesteigertem Maße im Gehirn verfügbar, damit einhergehend die Serotoninproduktion gesteigert, sondern es kommt auch zu einer Dichteabnahme der Serotonintransporter. Dieser Prozess tritt schon nach wenigen Heilfastentagen ein und erreicht nach 14 Tagen seinen Höhepunkt. Dadurch kann Serotonin länger und in höherer Konzentration im extrazellulären neuronalen Raum verweilen und wirken und seinen fortdauernden Harmonisierungseffekt aufrechterhalten. Fasten harmonisiert und entspannt. Unsere Stimmungslage wird jedoch nicht nur stabilisiert, sondern auch aufgehellt. Gefühle von Euphorie und Transzendenz können auftauchen. Deshalb begann man schon im 4. Jahrhundert v.Chr. in der Zeit des Hippokrates Fasten als Therapie körperlicher und geistiger Erkrankungen einzusetzen. Leider steckt auch in der Entdeckung der Nulldiät als Angstbewältigungsstrategie ein Suchtpotenzial. (21)
Hunger löst (und darin sind wir alle selbsterfahren) ein Gefühl der Unlust, gesteigerte Aggressivität und motorische Unruhe aus. Denn unsere neuroendokrine Stressregulation ist stimuliert: wir produzieren Stresshormone mit allen bekannten negativen Folgen für Psyche und Körper. In diesem Modus flüchten oder kämpfen wir. Das ist Überlebensstrategie und liegt in der Natur des Menschen. Der Hunger in der Welt nach Dürren und Ernteausfällen infolge des globalen Klimawandels verursacht Flüchtlingswellen und Kriege. Mit den schmerzlichen Bildern von Leiden und Tod konfrontieren uns täglich unsere Medien.
Daher ist das Fasten ein freiwilliger Prozess, ohne Angst und Stress, wenn die Zeit und der Ort und unsere Erwartungshaltung (Bewertungshaltung) dafür stimmig sind.
Krankhafte Nahrungsverweigerung – Magersucht
In Kafkas Erzählung „Der Hungerkünstler“ heißt es „vielleicht war er gar nicht vom Hungern so sehr abgemagert, sondern er war so abgemagert aus Unzufriedenheit mit sich selbst. Er allein nämlich wusste, auch kein Eingeweihter sonst wusste es, wie leicht das Hungern war. Es war die leichteste Sache der Welt“.
Über Catharina von Siena (1347-1380), eine der bedeutendsten Fastenheiligen wird erzählt, dass sie so wie „moderne Magersüchtige“ auch ihre Fastenkarriere schon in der Jugend begann und bis zu ihrem Tod mit 33 Jahren aufrechterhielt. Essen erlebte sie als so sehr qualvoll, dass sie schon nach wenigen Bissen Nahrung erbrach. Frauen ist offenbar diese übermenschliche Fähigkeit des langen Hungerns gegeben. Die 13 jährige Margaretha Weiss, die angeblich seit ihrem 10. Lebensjahr nichts mehr aß, wurde 1542 auf dem Reichstag von König Ferdinand I. einer offiziellen Überwachung unterzogen. Sie bestand alle Prüfungen, ihre Nahrungslosigkeit wurde kaiserlich anerkannt. Andere „Wundermädchen“ wurden wiederum des Betruges überführt (Eva Vliegen oder Barbara Kremers) und gesellschaftlich geächtet. Erst 1973 wurde aus der wundersamen Appetitlosigkeit -„Anorexia mirabilis“- psychisch bedingter Appetitmangel -„Anorexia nervosa“ begrifflich bestimmt.
In den Jahrzehnten vor dem ersten Weltkrieg ging eine große Faszination von Hungerkünstlern aus. Das Bürgertum beschäftige sich mit Ernährung, Gymnastik, richtiger Kleidung, auch die FKK- Bewegung entstand in dieser Zeit. Öffentlich gehungert wurde in großen Sälen, in Wien sogar in Kaffeehäusern. Kafka nahm diese Anregungen auf, experimentierte selber mit Diäten, fastete und betrieb körperliche Ertüchtigung und schrieb seinen „Hungerkünstler“, als Zeugnis für seine eigene Magersucht. Als Kafkas Hungerkünstler, der am Ende stirbt, von seinem Aufseher gefragt wird, warum er denn nicht anders konnte, als zu hungern, lautet die symbolische Antwort: ..weil ich nicht die Speise finden konnte, die mir schmeckt. Hätte ich sie gefunden, glaube mir, ich hätte kein Aufsehen gemacht und mich vollgegessen wie du und alle“. (22)
Für ablehnungsbedürftig, bedenklich und gefährlich halte ich die Lichtnahrung, eine esoterische Methode, bei der ihre Anhänger ihre Energie ausschließlich aus dem Feinstofflichen, dem Licht („Prana“ – universelle Lebensenergie) beziehen und auf Essen und oft auch auf Flüssigkeitsaufnahme verzichten. In diesem Zusammenhang sorgten Berichte über den indischen Yogi Prahlad Jani in den Jahren 2003 und 2010 in den Medien für Schlagzeilen. Im September 2010 erschien der österreichische Dokumentarfilm „Am Anfang war das Licht“, in dem Menschen, die behaupten, sich von Lichtnahrung ernähren zu können, zu Wort kommen. Esoteriker, Ärzte und Wissenschaftler suchen in dieser Dokumentation nach Erklärungen, wie das funktionieren könne. Im April 2012 berichtete der Tages-Anzeiger über den Fall einer Schweizerin, die nach Betrachten dieses Filmes beschloss, sich von Licht zu ernähren und infolgedessen verhungerte. (23)
Experten halten für möglich, dass ein Gesunder ca. 50 – 80 Tage bei ausreichender Wasserzufuhr ohne Nahrung auskommen kann (Hungerstreikende sterben gewöhnlich nach 50 – 60 Tagen), bei fettleibigen Menschen könnte sich diese Zeitspanne noch verlängern.
Fasten als Therapie – Fastenpraktiken in unserer Zeit
Fasten ist der freiwillige Verzicht auf feste Nahrung für eine bestimmte Zeit.
Fasten als Therapie gehört seit Hippokrates zu den wirksamen Heilmethoden der medizinischen Kunst. In der Volksmedizin und in den Naturheilverfahren hatte sie eine Jahrhunderte lange Tradition. In unserer von Zivilisationskrankheiten geplagten und gestressten „Wohlstands- und Überflussgesellschaft“ ist Fasten aktueller denn je. „Fastenprodukte“ oder „Light-Produkte“ werden von der Nahrungsmittelindustrie als Marktnische allerorts, von online bis im Supermarktregal angeboten.
„Als die Fernseh-Fastenwoche des Bayrischen Rundfunks 1976 zum ersten Mal ausgestrahlt wurde, konnte keiner ahnen, wie populär Fasten werden würde“, Hellmut Lützner. (24)
Fasten bedeutet im heutigen Verständnis nicht nur Gewichtsabnahme, Entgiftung, sondern steigert die körperliche Leistungsfähigkeit, regt die Denkfähigkeit und die Kreativität an, ist Kosmetik von innen, dient der Krankheitsprävention und stärkt das Immunsystem. Fasten wirkt nachhaltig und führt zu persönlichem Wachstum: Selbstverantwortung für Lebens- und Essgewohnheiten übernehmen, spüren was man braucht und erkennen, wie wenig das im Grunde ist.
Besonders intensiv erlebt und vielfach praktiziert wird das „Fasten in der Gruppe“. Christian von Ehrenfels (1859-1932) gilt als Vordenker der Gestaltpsychologie. Er definierte die „Gestalt als Ganzes – Das Ganze ist etwas anderes als die Summe seiner Einzelteile“. Eine Melodie ist auch dann dieselbe, wenn man sie in eine andere Tonart transponiert. Die Gruppe, das „Feld“ hat die Energie, seelische Selbstheilungsprozesse in Gang zu setzen.
Heilfasten nach Otto Buchinger (1878 -1966) Otto Buchinger studierte Medizin an der Ludwigs-Universität in Gießen und war 1897 Marinearzt auf der SMS Panther und bezeichnete sich später als Überlebender des Ersten Weltkrieges als Pazifist. 1917 erkrankte er an einer rheumatoiden Arthritis. Damals standen den Ärzten keine Antibiotika zur Verfügung, also unterzog er sich einer dreiwöchigen Fastenkur in Freiburg und gesundete. Von da an widmete er sich dem Thema Heilfasten, quittierte 1918 seinen Dienst bei der Marine und gründete 1920 in Witzenhausen seine eigene Fastenklinik, die später 1935 nach Bad Pyrmont umzog. In diesem Jahr veröffentlichte er auch sein wichtigstes Buch „Das Heilfasten und seine Hilfsmethoden“.
Den Schwerpunkt seiner Krankheitsprävention setzt Otto Buchinger in Ernährung, Bewegung und Psychohygiene. Als geistige Nahrung empfiehlt er biblische Psalmen, oder die Werke Goethes und Rilkes. (25) Mit seinem Begriff Entschlackung irritiert Otto Buchinger bis in die heutige Zeit die moderne Schulmedizin.
„Auf einen Standpunkt kann man stehen, aber man sollte nicht darauf sitzen bleiben“, meint Nossrat Peseschkian, der Begründer der Positiven Psychotherapie.
Tatsächlich ist die Forschung schon auf „Schlacken“ im Körper gestoßen, allen voran die sogenannten AGE´s (advanced glycation end-product), die in Kausalzusammenhang mit Alterungsprozessen, der Arteriosklerose, Diabetes, chronischen Nierenerkrankungen und der Alzheimer Erkrankung gebracht werden. Die Entstehung von AGE´s wird durch Rauchen, Zuckerkonsum, Braten und Grillen und den Einsatz der Mikrowelle bei der Speisenherstellung begünstigt. Wie so oft forscht und sucht man, unterstützt von der Pharmaindustrie nach hilfreichen Medikamenten, anstatt nach präventiven Lösungsansätzen. In diesem Zusammenhang empfehle ich das Buch des amerikanischen Kardiologen, Dr. William Davis, „Die Weizenwampe“, dem Gründer des „Track Your Plaque“- Programmes zur Früherkennung von Herzerkrankungen, zu lesen und sich eine eigene Meinung zu bilden. Jedenfalls gründeten Otto Buchingers Familienmitglieder weitere Fastenkliniken (1953 in Überlingen am Bodensee und 1973 in Marbella/Spanien). Das Stammhaus in Bad Pyrmont wird seit 1996 von dem Enkel Otto Buchinger II und dessen Sohn, Andreas Buchinger weitergeführt.
Fasten für Gesunde nach Hellmut Lützner (geb. 1928 im Erzgebirge) Hellmut Lützner studierte Medizin in Kiel und habilitierte mit einer Arbeit über Kneipp als Wissenschaft. Selbst an Neurodermitis leidend, erkannte er früh, dass der Verzicht auf Milchprodukte und Süßigkeiten, jedoch Fasten die Krankheitssymptome deutlich milderten. Er arbeitete als Facharzt und zwischen 1975 -1992 als Chefarzt in der Kurpark-Klinik in Überlingen und ist Mitbegründer der Deutschen Fastenakademie, die seit 1978 das Fasten nach Otto Buchinger der Bevölkerung nahebringt. (26) Sein millionenfach und in 17 Sprachen übersetztes Buch, „Wie neugeboren durch Fasten“ gilt als wichtigstes Standardwerk für selbstverantwortliches Fasten.
Fasten nach F.X. Mayr: Franz Xaver Mayr (1875 -1965), geboren in Gröbming, studierte Medizin in Graz und war Kurarzt in der Steiermark (St. Radegund), in Karlsbad und in Wien. Mayr ließ seine Patienten Milch mit Hilfe einer luftgetrockneten Semmel und spezieller Kautechnik löffelweise einnehmen. Die Kur dient der Darmentgiftung („Säuberung“), der Darmentlastung („Schonung“), des bewussten Trinkens vor dem Essen und des sorgfältigen und langen Kauens („Schulung“) und wird begleitet von Bauchbehandlungen durch in Diagnostik speziell geschulte Ärzte und ergänzender Gabe von Vitaminen, Spurenelementen und Mineralstoffen („Substitution“). Die Kur wird stationär in Mayr Kliniken durchgeführt und dauert durchschnittlich 4 Wochen. In einem mehrstufigen Prozess beginnend mit Teefasten, gefolgt von einer Diätetik (Kautrainer, Eiweiß- und Ölzulage), einer darauffolgenden milden Ableitungsdiät als Trennkost wird mit einer biologischen Vollwertkost abgeschlossen. Beabsichtigt wird das Ausschalten jeglicher Fehlverdauung (Gärung und Fäulnis), eine Regeneration der Darmflora und eine funktionale Verbesserung unserer Entgiftungsorgane (Leber, Darm, Lunge, Niere, Haut). Begleitende Maßnahmen sind aerobe Bewegungseinheiten, ggf. Colonhydrotherapie, gezielte Substitution (Orthomolekularmedizin), Höhenlufttherapie („Sauerstoff„) zur Verbesserung unserer Zellfunktion (Mitochondrien), medizinische Bäder, diverse Basenanwendungen und Kneippgüsse. (27) Offiziell vertreten wird die Mayr Medizin durch die Internationale Gesellschaft der Mayr Ärzte (F.X. Mayr Prevent). Wichtige weitere Elemente der modernen F.X. Mayr Medizin sind „Seele“ (Psychosomatik, Yoga, Kontemplation, Achtsamkeit, das Erlernen von Entspannungstechniken) und ergänzende integrative Therapieformen zur Förderung der „Selbstregulation“ (Akupunktur, Manuelle Medizin, Osteopathie, Funktionelle Myodiagnostik, Atemtherapie u.a.m.).
Basenfasten
Bei Basenfasten handelt es sich um keine klassische Fastenform, da auf feste Speisen nicht verzichtet wird. Vielmehr soll eine basische Heilnahrung über eine oder mehrere Wochen den menschlichen Organismus entsäuern und mit Mineralien anreichern. Basenfasten – die Wacker® Methode wurde 1997 von der Familie Wacker in Mannheim als Entsäuerungsprogramm entwickelt und im Buch „Basenfasten! Die Wacker-Methode®“ von Sabine Wacker und Dr. Andreas Wacker publiziert.
„Basenfasten ist der freiwillige Verzicht auf säurebildende Nahrungsmittel für eine bestimmte Zeit“. Das sind im wesentlichen tierische Eiweiße – und Getreideprodukte, Zucker und alle Süßigkeiten, Kaffee, Schwarztee, grüner Tee, Limonaden, Energy Drinks, Cola und Alkohol u.a.m. Ziel ist es, nachher auf eine vorwiegend basen- und vitalstoffreiche Vollwertkost umzustellen und industriell gefertigte Nahrung zu meiden. Als Basenbildner werden reifes Obst und Gemüse, Nüsse, Samen, Keimlinge und Sprossen, Pilze und Kräuter geschätzt. Der Basenfastentyp (Power-Typ, Gefühlsmensch, Nerventyp oder Misch-Typ) wird dabei individuell berücksichtigt. (28) Basenfasten ist als Terminus fest verankert und zu einem ernstzunehmenden Wirtschaftszweig herangewachsen. Der Entgiftungsprozess wird wie beim klassischen Fasten durch begleitende Maßnahmen, vor allem viel Bewegung in der frischen Luft, Entspannungsübungen (Yoga, Meditation, Achtsamkeitsübungen), basische Körperpflege, Kneippanwendungen und richtige Atemtechniken unterstützt.
Individuell – nach dem Fastentyp – Fasten
Ralf Moll (geb. 1966 in Düren) studierte Ökotrophologie mit Schwerpunkt Ernährungswissenschaften an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach. Seit 1996 bietet er Fastenwochen im Schwarzwald, sowie Fastenurlaubsreisen in die Toskana und auf La Palma an. Seit 1992 hat er rund 1.000 Vorträge für Firmen, Gesundheitsmessen, Fachtagungen, Kongresse und Symposien zum Thema Fasten, Fitness und Gesundheit gehalten. Er ist seit 2007 Mitglied Top – Speaker bei der Redneragentur Speakers Excellence. 2013-2015 wurde er mit dem Top 100 Trainer Deutschland (Trainers Excellence) ausgezeichnet. (29) Seine Publikationen, „Individuell Fasten“, „Individuell entsäuern“, „Suppenfasten“, „Fasten für Berufstätige“, alle Bücher im Südwest Verlag zwischen 2009 bis 2015 erschienen, sind fundierte Ratgeber und dienen einem gesünderen Lebensstil, besonders für die „Zeit nach einer Heilfastenwoche im klassischen Sinne“.
Industriell hergestellte Fastenfertigprodukte
„Wohlfühlen 365 Tage im Jahr und das mit 0,1 % Fett“ geht das? Ja das geht, jedenfalls suggeriert das beispielsweise „noemfasten.at“ und präsentiert seine Produkte und seine Philosophie. Die NÖM AG ist ein österreichisches Erfolgsunternehmen, gegründet 1898 von Franz Pirko als Niederösterreichische Molkerei mit Sitz in Baden, beschäftigt rund 670 Mittarbeiter und hatte 2013 ein Jahresumsatz von 400 Millionen Euro und einer Exportquote von 50% (32) Die Produktpallette reicht von Fastenmilch, Fastenbutter, Fastendrinks, Proteindrinks, Fasten Cappuccino und Fasten Latte Macchiato bis zu Ich – Tipps zum Wohlfühlen, 365 Tage im Jahr. Täglich erobern neue Light Produkte (Light, Zero, Fasten und Co) die Regale unserer Supermarktketten. Jährlich geben die Österreicher 90 Millionen Euro aus. Es sind überwiegend Frauen (65%) aus Gründen der Gewichtsreduktion bzw. Erhaltung des Körpergewichtes. Damit wird die Bequemlichkeit gefördert, aber das Ernährungsverhalten nicht geändert. Es handelt sich um industriell veränderte Produkte, die der Wunschvorstellung der Konsumenten entsprechen, „Essen mit gewichtsreduzierender Wirkung“ zu sein. (32) Über gesundheitliche Risiken von Zusatzstoffen (die auf unseren Nahrungsmitteln angegebenen E-Nummern), oft Auslöser von Pseudoallergien („Zusatzstoffallergie“), das Problem der „künstlichen Süßstoffe“, wie Aspartam mit negativen Auswirkungen auf unsere Organfunktionen möchte ich an dieser Stelle bewusst nicht eingehen. Sie sind in Fachbüchern (33) nachzulesen und werden im Internet breit diskutiert.
Askese heute – Das Glück liegt im Verzicht
Als Gegenpol zur konsumorientierten Überfluss- und Mediengesellschaft wählen immer mehr Menschen das „Einfache Leben“ in wechselnden Ausprägungen vom Total-Aussteiger bis zum konsumkritischen Normalverbraucher. Die Anhänger der „freiwilligen Einfachheit“ versuchen durch Konsumverzicht den gesellschaftlichen Zwängen entgegenzusteuern und mit „Minimalismus“ ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben zu führen.
„Die Geiz ist geil Mentalität“ wird von vielen Konsumenten nicht mehr geteilt. Immer mehr Konsumenten fordern die Einhaltung ökologischer und sozialer Standards und bewerten dahingehend die Nachhaltigkeit der Produkte, die gekauft werden wollen. Viele kaufen bewusst regional und biologisch hergestellte Nahrungsmittel, reduzieren den Konsum von Fleisch und tierischen Erzeugnissen, kaufen Second Hand Produkte, berücksichtigen Abfallvermeidung und achten auf Umwelt- und Klimaschutz. Es bilden sich Fahrgemeinschaften und viele Jugendliche verzichten (in den Städten) auf ein eigenes Auto. Letztlich ist auch der Trend zum Vegetarismus und Veganismus ein Versuch, sich ernährungstechnisch von der blind konsumierenden Masse abzugrenzen. Bemerkenswert ist, dass Menschen entscheiden, sich von weggeworfenen, aber noch gut genießbaren Nahrungsmitteln zu versorgen und „Lebensmittel retten“.
„In Zukunft wird unser Essen neue Geschmacksrichtungen haben. Sie heißen Nähe, Emotionalität, Identität und Sinn.“ Hanni Rützler / Wolfgang Reiter (35)
Auch beim Hausbau wird klar, dass sehr wohl auf Energieeffizienz und auf die Auswahl von Bau- und Dämmstoffen geachtet und auf die Nutzung von Solar – und Photovoltaiktechnologie gesetzt wird. Viele Betriebe übernehmen soziale und ökologische Verantwortung und produzieren nach ethischen Prinzipien. Gerne empfehle ich an dieser Stelle als weiterführende Literatur, die Bücher von Anselm Grün, „Führen mit Werten – Ethisch handeln – Herausforderungen bewältigen“ und von Christian Felber, „Die innere Stimme“ (wie Spiritualität, Freiheit und Gemeinwohl zusammenhängen).
Der Glühbirne und anderen Erfindungen verdanken wir, dass auch die Nacht zum Tage geworden ist und Industriegesellschaften 24 Stunden am Tag produzieren. Daher ist es nicht verwunderlich, dass immer mehr Menschen, gegen unser „zeitverschaltetes Alltagsleben“ zu Felde ziehen und beginnen, „Zeit für ihr Selbst einzufordern“ und „persönlich zu endschleunigen “. Gegen das ständig erreichbar sein müssen, praktizieren gestresste Mitarbeiter E-Fasten oder Medienfasten. Das ist Stressmanagement durch das bewusste Abschalten elektrischer Kommunikation für eine bestimmte Zeit. Da ich im Dienst als Ärztin immer und überall über mein Diensthandy erreichbar bin, genieße ich es schon lange, privat mein Handy aus Prinzip ausgeschaltet zu lassen und es nur für dringliche Gespräche persönlich zu nutzen.
„Dort wo Menschen wieder beginnen, ihrem Zeitgefühl zu vertrauen und danach handeln, wird individuelles und kollektives Potential freigelegt, dessen Ausmaß und Struktur meist im Verborgenen liegt. Im Zuge einer weitgehenden Ökonomisierung der Ware Zeit wird es jedoch immer schwieriger, spontanen Impulsen nachzugehen oder nur einen einzigen Tag ohne Planung zu verbringen.“ (Beschriftung des Covers zum Film, „Unendlich Jetzt“ von Roman Pachernegg und Jasmine Wagner zum Thema Zeit und Leben.)
Weitere empfehlenswerte DVD-Dokumentationen zur Thematik „Askese heute“: „Du bist, was du isst“ (2010), „Unser täglich Brot“ (2005),“Gabel statt Skalpell“ (2011), „Food Fight – Was kommt auf den Teller“ (2008), „Der Gen Food Wahnsinn“ (2012), „Weggeworfen“ (2012), „planet RE:think“ (2012), „Let´s Make Money“ (2008), „Inside Job“ (2010), „Hope for All, unsere Nahrung unsere Hoffnung“ (2016).
Mein ganz persönlicher Zugang zum Fasten, meine Fastengeschichte
Als mich Gabriella fragte, ob ich nicht Lust hätte, mit ihr an einer Fastenwanderwoche auf Amrum teilzunehmen, sagte ich „aus dem Bauchgehirn heraus“ spontan zu. Nichtwissend dass mir eine Woche zuvor Zweifel kamen, eine Woche Hungern , Muskelabbau, Hungerazidose? Also packte ich vorsorglich einige Obst- und Getreideriegel ein, denn „ohne Netz wollte ich mich nicht aufs Hochseil begeben“. Dort angekommen hörte ich von der Fastentrainerin, Dagmar Schmidt „Fasten ist nicht Hungern“. Das hat mich verunsichert und beschämt, denn es saßen rund 25 Personen (manche von ihnen Senioren) am Tisch und mehr als die Hälfte der Teilnehmer waren fastenerfahren. Jeden Morgen wurde als Ritual eine „therapeutische“ Geschichte vorgetragen und danach gemeinsam schöne Musik gehört und dazu schweigend mit einem Teelöffel 1/8 Liter frisch gepresster Fruchtsaft langsamst gelöffelt. Zum Wasser trinken mit reichlich Zitrone wurde man wiederholt angehalten. Ich stürzte weder körperlich noch psychisch in eine schwere Fastenkrise. Auch die Darmreinigung war für mich zu keinem Zeitpunkt ein Problem und zu meiner Überraschung war ich nicht hungrig ! Jeden Tag wanderten wir 10 bis 14 Kilometer und erkundeten die wunderschöne Insel nach allen Richtungen. Am Abend durften wir eine basische Gemüsebrühe zu uns nehmen und wenn dazu fein gehackter Schnittlauch, Ingwer, Kümmelpulver, oder Kurkuma angeboten wurde, so gebe ich gerne zu, ich habe davon stets mehr als nötig genommen. Schon damals konnte ich beobachten, wie sich unsere Trainerin wieder und wieder wegen der Suppenkonsistenz mit dem Koch abmühte. So verging die Woche schnell und ich wunderte mich und war stolz zugleich, meine Notration an Essen nie gebraucht zu haben. Ich genoss diese Woche und spürte, „Ich tue mir selber gut, ich bin glücklich!“ Wieder zuhause, hatte ich das Bedürfnis aus meinen vielen Fotos, eine Diashow zu gestalten und mit Musik und Gedanken zu unterlegen und mir war von Beginn an klar, es konnten nur die Gedanken von Charlie Chaplin aus seiner Rede zu seinem 70. Geburtstag, „Selbstliebe“ sein.
Die 3 wichtigsten Fragen im Leben, einer indianischen Weisheit zufolge sind: Hast du genug gelernt, hast du genug geliebt und hast du genug gelacht? Daher folgte ich konsequent meiner inneren Stimme und darf mich heute F.X. Mayr Ärztin nennen (die für mich sinnlichste, weil mit allen 5 Sinnen diagnostizierend und sinnreichste Ausbildung in meinem Leben). Nun kann ich meinem Bestreben nach „ganzheitlich gelebter und angewandter Medizin“ gerecht werden. Als Wahlärztin praktiziere ich F.X. Mayr Medizin in Diagnostik und Therapie und führe ambulante Fastenkuren durch. Tradition bedeutet „nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers“. Für meine Patienten möchte ich das Wiedererlangen einer gesunden Körperhaltung, einer gesunden Bauchform, Null – Dyspepsie, die Harmonie zwischen Körper, Geist und Seele, sowie Freude und Vitalität bis ins hohe Alter erreichen.
Glücklich sein, ohne die „Komfortzone“ zu verlassen, geht nicht. Es braucht im Leben auch Mut zum Risiko. Alle fünf „L´s“ des Lebens (Leben, Lieben, Laufen, Lernen, Lachen) wollen gelebt werden: Use it, or lose it !
Unser Gehirn hat rund 100 Milliarden Nervenzellen und jede von ihnen 100.000 – 200.000 Synapsen. „Gefördert wird, was gefordert wird“. Wir sollten unser Gehirn vor Alkohol, Nikotin, Drogen, Sauerstoffmangel, Stress und Schlafmangel schützen und in Einklang mit unserem Biorhythmus leben. Allerdings müssen wir uns an unsere persönlichen Gegebenheiten anpassen und flexibel sein.
„Man muss sein Leben aus dem Holz schnitzen, was man hat, auch wenn es krumm und knorrig wäre.“ (Theodor Storm)
Unser Leben ist unsere eigene Heldenreise und wir sind für unser Programm (Denken, Fühlen, Handeln) selbstverantwortlich.
Das Glück eines Jeden liegt in seiner Seele.
„Zehn Warnsignale drohender Zufriedenheit“
- Die Neigung, spontan zu denken und zu handeln ohne Angst.
- Die unverkennbare Fähigkeit, jeden Moment zu genießen.
- Verlust des Interesses, andere zu beurteilen.
- Verlust des Interesses an Konflikten.
- Verlust des Interesses, sich selbst zu verurteilen.
- Verlust der Gewohnheit, sich Sorgen zu machen.
- Wiederkehrende Phasen der Wertschätzung und Würdigung allen Lebens.
- Zufriedenmachende Gefühle der Verbundenheit mit anderen und der Natur.
- Die zunehmende Neigung, den Überfluss des Lebens wahrzunehmen und anzunehmen.
- Anfälle von herzlichem Lachen. Eckhart von Hirschhausen (34)
Glück ist aber auch Stille: das sind beispielsweise Momente beim Fasten, wenn man versteht, dass es eigentlich nichts zu tun gibt.
Quellenverzeichnis
(1) Die Evolution des Menschen, homo sapiens – evolution-mensch.de
(2) Anselm Grün, „Fasten“, Kapitel: Fasten als Weg zur Erleuchtung (S 57)
(3) Ulrike Borovnyak, „Fasten für Geniesser“ (S 12)
(4) kath-kirche-vorarlberg.at „Fasten in anderen Religionen“
(5) Wikipedia, „Askese“
(6) Gisela Rieger, „Sinn-volle Geschichten 2“ (S 37)
(7) bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon(lexikon/….
(8) https://de.wikipedia.org/wiki/Schriftrollen_vom_Toten_Meer
(9) Anselm Grün, „Fasten“ (S 12 – 15)
(10) Zitat bei Régamey, „Wiederentdeckung des Fastens“ , Wien 1963, (S 60)
(11) https://de.wikipedia.org/wiki/Basilius_der_Große
(12) Anselm Grün, „Fasten“ (S 24)
(13) Uwe Schultz, „Speisen, Schlemmen, Fasten“ 1993, (S 83 – 86)
(14) Ulrike Borovnyak, „Fasten für Genießer“, (S 13-19)
(15) www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/kuriose-fastenbraeuche-…
(16) https://de.wikipedia.org/wiki/Fasten
(17) https://de.wikipedia.org/wiki/Hungerstreik
(18) http://www.46664.biz/suedafrika/robben-island/apartheid-geschichte.php
(19) Annemarie Strobl, „Psychologie des Fastens“, (S 16)
(20) Annemarie Strobl, „Psychologie des Fastens“, (S 36-37)
(21) https://www.ugb.de/richtig-fasten/neurobiologische-effekte
Prof. Dr. Dr. Gerald Huether, Göttingen
(22) Dr. Jürgen Bräunlein: Fastenwunder, Magersucht und Hungerstreik, eine
Kulturgeschichte der Nahrungsverweigerung
www.juergen-braeunlein.de/journalist_kultur_alltagsgeschicht…
(23) https://de.wikipedia.org/wiki/Lichtnahrung
(24) Hellmut Lützner, „Wie neugeboren durch Fasten“ (S 5)
(25) https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Buchinger
(26) https://de.wikipedia.org/wiki/Hellmut_Lützner
(27) Annemarie Strobl, „Psychologie des Fastens“, (S 28-30)
(28) Sabine und Dr. Andreas Wacker, „Basenfasten!“, (S 54-69)
(29) https://de.wikipedia.org/wiki/Ralf_Moll
(30) Peter Pukownik, „Anleitung zum Heilfasten nach der Hl. Hildegard von Bingen“ (S 17-33)
(31) https://de.wikipedia.org/wiki/NÖM
(32) www.forumgesundheit.at/portal27/portal/forumgesundheitport
(33) Ibrahim Elmadfa, Claus Leitzmann, „Ernährung des Menschen“ (S 536-548)
(34) Eckart von Hirschhausen, „Das Glück kommt selten allein“ (S 37)
(35) Hanni Rützler, Wolfgang Reiter, „Food Change – 7 Leitideen für eine neue Esskultur“ (S 31)
Verfasserin: Renate Zach, Juli 2015 / aktualisiert November 2019